Erzbischof Josef Kardinal Frings hatte als Seelsorger ein großes Interesse an der Blüte des Wallfahrtsortes Neviges, denn er teilte mit Papst Pius XII. eine besonders große Neigung zur Marienverehrung und den unbedingten Willen, diese zu stärken. (49) Diesem Ziel diente die im Jahr 1954 erfolgte Ausrufung des „Marianischen Jahres“ – anlässlich der Hundertjahrfeier der Dogmatisierung der Jungfräulichkeit Mariens, das Erzbischof Josef Kardinal Frings im Kölner Dom und in Neviges eröffnen wollte. (50) Der Erzbischof kam so gut wie jedes Jahr nach Neviges, vor allem zu den höchsten Marienfesttagen. (51)

Bei der Entstehung der Wallfahrtskirche spielte Erzbischof Joseph Kardinal Frings, wie wir bereits gesehen haben, auch in architektonischen Gestaltungsfragen eine dominante Rolle. Er sah nämlich in dem Werk guter Architekten einen Ausdruck der Schöpferkraft Gottes und betrachtete sich deshalb in seinem Einflussbereich als letzte irdische Instanz in Gestaltungsfragen. (52) Aufgrund der Kriegszerstörungen und der Neuordnung von Pfarreien gab es in der Erzdiözese Köln zwischen 1945 und 1960 insgesamt 140 Kirchen zu bauen. (53) Die Diözesanbaumeister, zunächst Willy Weyres und später Wilhelm Schlombs, waren für ihren Dienstherrn wichtige Berater und achteten mit ihm darauf, dass im Sakralbau nur besonders qualifizierte Architekten zum Zuge kamen. Um die Kontakte zu diesen sowie zu den an der Ausstattung von Kirchen beteiligten Malern und Bildhauern zu pflegen hatte Erzbischof Josef Kardinal Frings den so genannten „Aschermittwoch der Künstler“ eingerichtet, zu dem 1950 mehr als 200 eingeladene Künstler und Architekten gekommen waren. (54)

Die Einstellung des Kardinals zum Sakralbau kommt in dem von Willy Weyres und Otto Bartning 1959 herausgegebenen Handbuch für den Kirchenbau zum Ausdruck. Im katholischen Teil dieser Arbeit plädiert der Koautor Konrad Gatz für einfach und edel geformte Saalbauten nach dem Vorbild der IIT-Kapelle in Chicago (1952) von Ludwig Mies van der Rohe und erteilt plastischen Formen und symbolischen Konnotationen beim zeitgenössischen Sakralbau eine klare Absage. Dieselben Kriterien kamen offensichtlich auch in der ersten Stufe des Wettbewerbs für die Wallfahrtskirche in Neviges zur Anwendung. Allerdings hatte sich die Architekturauffassung Josef Kardinal Frings’ durch die Erfahrung mit dem von Kenzo Tange gewonnenen Wettbewerb für die Marienkirche von Tokio weiter entwickelt. Sie war auf Initiative des Kardinals begonnen, der Unbefleckten Empfängnis Mariens geweiht, vom Erzbistum Köln weitgehend finanziert und in der Diaspora gebaut worden. Es weist daher wesentliche Gemeinsamkeiten mit der Wallfahrtskirche in Neviges auf. (Abb. 18)

Der Entwurf für Tokio entstand um dieselbe Zeit wie derjenige für die Olympiabauten (1961 – 64) in der japanischen Hauptstadt und zeigt wie diese die ausgeprägte zeichenhafte Formensprache Kenzo Tanges. Im Falle der Marienkirche von Tokio ist es das Kreuz in der Draufsicht, das eindeutig an den christlichen Kultus erinnert, wobei jedoch die liturgischen Nachteile dieser Figur durch den parabolisch zu einem Drachenviereck ausschwingenden Grundriss vermieden werden. Im Übrigen erinnert das Verhältnis von Höhe zu Breite an eine gotische Kathedrale. Die Suche nach einem zeichenhaften Ausdruck sah Kenzo Tange selbst im Zusammenhang mit der Ende der 50er Jahre erfolgten Überwindung des dogmatischen Funktionalismus, die sich in der Auflösung der CIAM zeigte und in Bauten wie dem TWA-Empfangsgebäude in New York (1956-62) von Eero Saarinen oder der Oper in Sydney (1957, 1958-73) von Jorn Utzon zum Ausdruck kam. (55) (Abb. 19)

mariendom kiem abb 18Abb. 18) Kenzo Tange: Marienkirche, Tokyo/Japan 1961-64

mariendom kiem abb 19Abb. 19) Eero Saarinen: TWA-Terminal, New York/USA 1956-62

 

 

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